Zeit ist für ihn kostbar. Auch im hohen Alter von 91 Jahren hat er immer etwas vor: Bücher schreiben, Schiffsmodelle bauen, Bilder malen. „Ich habe im Ruhestand keine Freizeit. Ich bin immer unter Dampf”, sagt Dr. Wigand Wüster. Mit 63 Jahren ließ sich der Beamte pensionieren, drehte der Juristerei den Rücken zu und frönte seinen Hobbys. Seit 40, 50 Jahren baut er historische Schiffsmodelle nach: originalgetreu, weder Baukästen noch Fertigmodelle. Alles ist Eigenbau, aus Rohmaterial in schiffbaulicher Technik und Bauweise erstellt. Auf rund 50 Schiffe hat er es gebracht: Das größte ist 1,80 Meter lang, es ist zugleich sein Lieblingsschiff, denn „da ist alles gelungen, es ist am besten geworden.”
Das Trumm, pardon, Paradeobjekt, ist ziemlich groß und ziemlich schwer – und steht im Keller. Es ist das sogenannte Linienschiff „Baden”, ein Kriegsschiff aus der Kaiserzeit (bis 1918), und es ist einfach zu riesig für die Dachwohnung. Dort oben kann man eine amerikanische Fregatte bewundern: auch nicht gerade klein, sie misst vom Bug bis zum Heck 1,50 Meter, und wiegt sicher an die 20, 30 Kilogramm. Wüster baute das Schiffsmodell bereits im Jahr 1990. 450 Stunden saß er wohl daran, vielleicht auch mehr, so genau weiß er das heute, 21 Jahre später, nicht mehr. Jedenfalls sei das Originalschiff inzwischen außer Betrieb, es liege nun im Hafen von Boston und diene dort als Museumsschiff, erzählt der promovierte Jurist. Er überlebte Stalingrad, war sieben Jahre in russischer Kriegsgefangenschaft, kam in der Silvesternacht 1950 nach Deutschland und studierte dann „als Abiturient mit Kriegserfahrung” Jura.
Vor dem Zweiten Weltkrieg malte er bereits. Der Schüler stellte auf seinen Aquarellbildern schon damals gerne Militärschiffe dar. Jahrzehnte später baute er dann als Pensionär die historischen Schiffsmodelle nach, wie die berühmte „HMS Victory” von 1765. Sie ist das älteste im britischen Marinedienst befindliche Schiff. Bekanntheit erlangte die Victory als Flaggschiff von Vizeadmiral Lord Nelson in der Seeschlacht von Trafalgar (1805), als die französisch-spanische Flotte vor Trafalgar eine verheerende Niederlage durch die Royal Navy erlitt. Nelson fiel zwar in der Schlacht, doch sein Sieg vereitelte Napoleons Pläne für eine Invasion der britischen Inseln endgültig. Das damalige Flaggschiff der britischen Flotte lässt sich heute in den Historic Dockyards der südenglischen Hafenstadt Portsmouth besichtigen, heute ist die HMS Victory immer noch – ganz im Sinne britischer Tradition – offiziell Flaggschiff des Ersten Seelords Ihrer Majestät. An Admiral Nelson erinnert die Nelsonsäule auf dem Trafalgar Square in der Innenstadt von London.
Über jedes seiner Schiffe weiß der Schnellbaumeister, wie er sich selbst charakterisiert, eine kurze oder längere Geschichte zu erzählen. Fazit: „Ich könnte hier ein Privatmuseum machen.” Fast überall stehen in der Wohnung seine Schiffsmodelle herum, und an den Wänden hängen seine Aquarelle und Ölbilder. Und druckfrisch ist in diesem Sommer außerdem seine Autobiographie erschienen: „Überleben? ... war für uns nicht vorgesehen!” Beide Bände sind gebunden, haben jeweils 430 Seiten und sind in der Buchhandlung von Oertzen an der Winterthurer Straße 3 in Fürstenried, im Internet oder beim Autor selbst (Telefon 7552664) erhältlich.
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