"Lived - Leben ist Kunst"
Das wollen Alte an die nächste Generation weitergeben
„Was wollen Sie gerne an die nächste Generation weitergeben?“, so lautete die Frage, die die Herrschingerin Astrid Thalmaier acht alten Menschen stellte. Was die Interviewten zu erzählen hatten, ist jetzt im 176 Seiten dicken Fotobuch „Lived – Leben ist Kunst“ erschienen. Es ist im Eigenverlag erschienen und kann im Herrschinger Buchhandel gekauft werden. Für ihn sei es fast so etwas wie eine „Lebensbeichte“ gewesen, hatte einer der Interviewten erzählt. Die Gespräche, die die Heilpraktikerin und Traumatherapeutin mit ihrem Handy aufgenommen hatte, waren so intensiv, dass die Umgebung völlig ausgeblendet wurde und niemand sich daran störte, dass der Herrschinger Fotograf Jörg Reuther unablässig fotografierte. „Ich habe mich sogar auf den Boden geworfen“, erzählte er. Aus 5.000 Fotos hat er 120 Schwarz-weiß-Aufnahmen für das Buch ausgewählt.
Der Verzicht auf Farbe war bewusst. Nichts sollte von der Mimik und der Gestik der Menschen ablenken. So entstanden ausdrucksstarke Fotos, denen dank des kunstvollen Layouts von Roland Althammer (Herrsching) viel Raum und Größe eingeräumt wurden, ohne jedoch die Lebensberichte zu dominieren. Vier Jahre lang hatte es von der Idee bis zum fertigen Buch gedauert. „Wenn ich geahnt hätte, wieviel Arbeit dahinter steckt, hätte ich es nie angefangen“, erklärte Thalmaier. Das Rohmaterial musste transkribiert und mit Hilfe einer Lektorin in Form gebracht werden, es folgte die ergebnislose Suche nach einem Verlag, die vielen Bilder mussten ausgewählt werden.
Der Krieg war ein Thema
Am Anfang stand der Wunsch der Autorin nach einer Lektüre über den Stellenwert alter Menschen in afrikanischen Gesellschaften, diese Gedanken auf unsere Kultur zu übertragen. Schließlich hätten auch bei uns alte Menschen viel Weisheit zum Weitergeben. Bei den Interviewpartnern stieß sie mit ihrer Idee auf offene Ohren. Sie erzählten, was ihnen wichtig erschien. Lustige Anekdoten, mit denen sie sicher schon so manche Tischrunde erheitert hatten, aber auch Nachdenkliches und Trauriges wechselten sich ab. Der Krieg war Thema, aber auch Verluste von Partnern oder die unterschiedlichen Stationen des Lebens.
Da gibt es beispielsweise Peter Nössing (Jahrgang 1929). Als Kind habe er mit gefundenen Weltkriegsbomben gespielt und als Rentner wieder eine im Ammersee entdeckt, erzählte der gelernte Betriebwirt und berichtete stolz von dem Zeitungsartikel über den Fund. Es gibt einen Schlosser, eine Juristin, einen sportlichen Tennistrainer, der noch mit 86 Jahren mit Paragliding angefangen hat und den Schwiegervater des Fotografen, Josef Hollacher (1925), der Autorin und Fotografen in seinen Garten führte, um auf besondere Pflanzen hinzuweisen.
Manchmal ist der Weg steinig
Aus den Interviews sticht das von Edita Jung (1922) hervor. Sie war als Handelskauffrau in Nigeria und im Kongo tätig, hatte aus geschäftlichen Gründen die ganze Welt bereist. Man fühlt sich beim Lesen ihrer Erinnerungen in die damalige Zeit versetzt und sieht Krokodile am Ufer des Kongos vor sich. „Ich kann nur sagen, ich hab viel mitgemacht und jetzt fühl' ich mich eigentlich wieder jung“, lautet ihr Fazit.
Ein anderer Zeitzeuge hatte sogar einmal bei der CIA gearbeitet, wie er anhand einer Erkennungsmarke in seinem Geldbeutel bewies. „Ne, ne, immer ist der Weg nicht gerade, manchmal ist er so steinig, das muss man wegräumen, das ist mir bisher immer gelungen“, erklärt er. Und die Lebensweisheit aus einem anderen Interview lautet: „„Fehler sind da, dass wir aus ihnen lernen, man darf sie nur nicht zweimal machen.“
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