Damit der erste Schnitt nicht zum letzten wird
Gemeinsames Engagement zur Rettung von Rehkitzen
Laut zieht der Traktor seine Kreise, die scharfen Klingen des Mähwerks schneiden in Höchstgeschwindigkeit das etwa kniehohe Gras ab. Doch zwischen dem Motorengeräusch des Traktors und dem gleichmäßigen Surren der Mähmaschine mischt sich noch ein anderes, viel makaberes Geräusch: das laute Knacken von Knochen.
Damit genau dieses laute Knacken nicht zur Realität wird, sind in den vergangenen Wochen landauf landab Jäger ausgerückt, um die frisch geborenen Rehkitze vor dem Mähtod im hohen Gras zu bewahren. Im Mai werden nämlich zum ersten Mal die Wiesen gemäht. Diese erste Mahd nennen Landwirte den „Ersten Schnitt“, der wieder energiereiches Futter für Nutztiere liefern soll. „Doch genau in dieser Zeit setzen, so nennt man in der Jägersprache die Geburt eines Rehkitzes, Rehe ihre Kitze in die Wiesen“, erklärt Alexander Schaupp. Er ist Jagdpächter des Jagdbogens Alling West, in dem auch gemäht wurde.
Der Pächter hat von Landwirt Andreas Drexl die Information erhalten, wann gemäht wird. „Zwei Tage vorher stecken wir dann die sogenannten Kitzretter auf“, erläutert der 34-Jährige. Dabei handele es sich um eine Art „Vergrämungsgerät“, dass sowohl optische als auch akustische Signale abgibt und in der Wiese, die gemäht werden soll, aufgestellt wird. „Durch die wiederkehrende Störung findet die Ricke (Anmerkung der Redaktion: weibliches Rehwild) die Wiese nicht mehr sicher genug für ihr Rehkitz und holt es aus der Wiese raus“, so der Jäger.
Ab ins hohe Gras
Nicht alle Ricken würden aber ihre Kitze aus den Wiesen bringen. Genau aus diesem Grund hat sich Landwirt Andreas Drexl eine Vorrichtung am Schneidewerk angebracht, die alle paar Meter ein extrem lautes Piepen von sich gibt. Normalerweise würden sich Rehkitze bei Gefahr noch tiefer in die schützende Wiese ducken, doch dieser Ton veranlasse die kleinen Wildtiere dazu, doch ein wenig den Kopf zu heben. „Dadurch sehe ich eventuell noch in der Wiese liegende Rehkitze und kann diese dann vorsichtig herausnehmen“, so der Bauer.
Diese Maßnahmen sind jedoch nicht die einzigen: Am Mähtag rücken neben Jagdpächter Schaupp noch zwei weitere seiner Mitjäger aus und suchen gemeinsam mit ihm die Wiesen ab, bevor der Bauer zu mähen beginnt. „Ohne ein fleißiges Team, das mithilft, wäre dieser Aufwand alleine gar nicht so zu stemmen“, wissen Alexander Schaupp und Andreas Drexl den ehrenamtlichen Einsatz der Helfer zu schätzen. Bereits morgens um sechs Uhr sind Dr. Carolin Bartsch und Felix Unertl im hohen Gras unterwegs, laufen schlaufenförmig die oftmals weitläufigen Wiesen ab und halten nach Rehkitzen Ausschau. Zusätzlich fährt Unertl im Anschluss noch bei Landwirt Drexl auf dem Traktor mit, denn vier Augen sehen bekanntlich mehr als zwei.
An diesem Tag hat sich der enorme Aufwand gelohnt, und das laute Knacken blieb zum Glück aus: Kein einziges Rehkitz fiel im Revier Alling West dem Mähwerk zum Opfer.
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