Eine "ganz normale" WG
Verein Participes gründet inklusive Wohngemeinschaften
Inklusion fange im Kopf an, erklärt Rike Everding. Sie hat vor einigen Monaten die erste inklusive Wohngemeinschaft (WG) für Mitbewohner mit und ohne Beeinträchtigung in Herrsching gegründet. Die Idee zu dieser besonderen Vierer-WG kam von ihrem Sohn Philipp. Der 23-Jährige hat das Williams-Beuren-Syndrom und ist damit schwerbehindert. Das Syndrom bedeutet nicht nur Defizite, versichert die Mutter. „Philipp ist sehr musikalisch, sprachbegabt und kontaktfreudig“. Außerdem ist er mit seinem freundlichen Naturell ein richtiger Sonnenschein.
Für den jungen Mann war es selbstverständlich, dass er, wie jeder andere erwachsene Mensch, ein eigenständiges Leben mit einer Arbeit und natürlich einer eigenen Wohnung haben möchte. Es gebe zwar Angebote mit Betreuung, aber meistens handele es sich um Einrichtungen, in denen nur Behinderte sowie deren Betreuer und Pflegekräfte wohnten, bedauerte die Mutter. Vor einem Jahr hat Rike Everding deswegen den Verein Participes (das bedeutet teilnehmen auf Spanisch) gegründet. Er verfolgt gemeinnützige Ziele wie behinderte Menschen im selbstorganisierten Wohnen und Arbeiten zu unterstützen. Dabei sollen inklusive Wohngemeinschaften gegründet werden und Behinderte bei der Arbeitsfindung und in der Organisation des Alltags unterstützt werden.
Neben Rike Everding (Vorsitzende) besteht der Vorstand aus Martin Scheidel (WG-Koordinator und Jugendcoach), Roland Althammer (Kommunikation) und Philipp Everding (WG-Mitbewohner). „Wenn jeder Mensch überall dabei sein kann, am Arbeitsplatz, beim Wohnen oder in der Freizeit, egal wie er aussieht, welche Sprache er spricht oder ob er eine Behinderung hat – das ist Inklusion“, sagt Everding.
Das Projekt wird von Max Mayer, Behindertenbeauftragter des Landkreises Starnberg, unterstützt. „Dieser Aufgabenbereich ist im Aktionsplan für Menschen mit Behinderung des Landkreises Starnberg festgeschrieben“, erklärt er. „Menschen mit Behinderung müssen, wie jeder andere auch, die Möglichkeit haben frei zu entscheiden, wo und mit wem sie leben wollen und welcher Arbeit sie nachgehen möchten“, so Mayer.
"Sie wollen beweisen, dass sie es können"
Nach ein paar Monaten hat sich der WG-Alltag eingespielt. Aufgaben im Haushalt wie Putzen, Kochen oder Einkaufen werden abwechselnd und oft gemeinsam erledigt, dabei kann jeder seine Stärken und Fähigkeiten einbringen. Es gibt Freizeitaktionen, aber jeder hat seine privaten Rückzugmöglichkeiten. „Wie in jeder anderen WG“, sagt Everding. Um das Zusammenleben zu erleichtern, unterstützt ein externer WG-Coach bei Problemen und der alltäglichen Organisation.
Philipp und seine behinderte Mitbewohnerin haben durch das selbstständige Wohnen enorme Entwicklungssprünge gemacht, freut sich Everding. Pünktliches Aufstehen, Körperpflege und die Organisation eines Haushalts bewältigen die beiden zuverlässig und selbstständig. „Sie wollen beweisen, dass sie es können und dass sie es machen“, so Everding. Die junge Mitbewohnerin hat mittlerweile eine Festanstellung in einem Bio-Supermarkt und plant in eine ganz eigene Wohnung zu ziehen. „Daran hätte vor einem Jahr noch niemand gedacht“, ist Everding stolz. Der Verein wird sie auf ihrem Lebensweg unterstützen.
Jetzt geht es darum, weitere Häuser für inklusive Wohnprojekte zu mieten. Auch die Suche nach Unternehmen, die bereit sind, Menschen mit Behinderung einen Arbeitsplatz zu geben, geht weiter. Für die Zukunft plant Participes außerdem inklusive Freizeitaktivitäten, Veranstaltungen und die Schaffung von Treffpunkten für Menschen mit und ohne Behinderung.
Vermieter und Arbeitgeber können sich an Rike Everding, (08152) 9289401 oder info@participes.de wenden. Infos unter www.participes.de auf der Homepage.
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