"Spannend wie ein Krimi"
Untersuchungen enthüllen den wahren Künstler des Possenhofener Altarbilds
Spannend wie ein Krimi ist die Geschichte des Altarbilds in der Possenhofener Fischerkapelle. Das Gemälde stammt mit großer Wahrscheinlichkeit von dem bedeutenden flämischen Künstler Peter Candid (1548-1628), nach dem in München zum Beispiel der Candidplatz benannt ist. Die Friedinger Kunsthistorikerin Dr. Gertrud Rank hat dies in detektivischer Kleinarbeit enthüllt. Alles nahm seinen Anfang mit dem Auftrag zum Buch „Possenhofen, die Geschichte eines Pöckinger Kleinods“, das sie zusammen mit Sisi-Museumsleiterin Rosemarie Mann-Stein verfasste. „Als ich das besondere Altarbild sah, war ich sofort elektrisiert“, berichtete die Fachfrau bei der coronabedingt um zwei Jahre verschobenen öffentlichen Präsentation des Buches im Pöckinger Beccult. So sei die Vorderseite des Altarbilds zwar ganz offensichtlich im Stil des 19. Jahrhundert gemalt, weise aber auch auf einen älteren Malstil hin. Auf der Rückseite befinden sich jedoch zwei Inschriften: „Peter Candito pinx („hat es gemalt“) 1578 und „Rober Muysers 1969 restauriert“. Ranks Vermutung war: im 19. Jahrhundert wurde eine Neufassung über das ramponierte Original gemalt. Muysers kann man nicht mehr fragen, er ist bereits verstorben.
Alte Farpigmente
Mit finanzieller Unterstützung durch die Gemeinde wurde das Gemälde, das die Mutter Gottes mit dem Jesuskind auf den Knien zeigt, im März 2020 zur Untersuchung nach Stuttgart geschafft. „Und da sind eine Menge Dinge herausgekommen“, so Rank. Röntgenaufnahmen haben gezeigt, dass in der Tat ein älteres Gemälde unter dem gegenwärtigen liegt. Eindeutig nachweisbar ist das zum Beispiel beim Faltenwurf von Marias Gewand, das im Original ganz anders gemalt ist. Und bei einer Untersuchung der Farben kam heraus, dass Farbpigmente aus der Zeit um 1600 sowie aus dem 19. Jahrhundert vorliegen. „Wir konnten zwar viel aufdröseln, zu 98 Prozent wissen wir, dass es von Candid stammt“, so Ranks Resümee. Vollkommene Gewissheit aber gibt es nicht, das lässt die Dublierung der Leinwand nicht zu. Weil die neue Leinwand fest mit der ersten Schicht verklebt ist, lässt sie sich nicht mehr entfernen, ohne alles zu zerstören. Rank hat auch eine Vermutung, wer Candids Maria restaurierend übermalt haben könnte: die Künstlerin Amalie Kohler, die damalige Zeichenlehrerin der herzoglichen Kinder. „Es wäre denkbar, dass sie das Gemälde herrichten sollte.“ Möglicherweise damals, als die Kapelle versetzt wurde und das Bild dazu abgenommen wurde. Dass Diebe auf die Idee kommen könnten, das Altarbild aus der Kapelle zu stehlen, hält Rank für wenig plausibel. „Der historische Wert ist zwar enorm gestiegen“, sagte sie. „Aber das Bild ist wegen der Übermalung insgesamt wenig wertvoll.“
Kalvarienberg
Das Buch über Possenhofen war schon fertig, als die Untersuchungen zum Altarbild begannen. Aber auch in der Geschichte Possenhofens wurden durch die Arbeit der Forscherinnen manche Irrtümer aufgeklärt und tradierte Überlieferungen widerlegt. Neben einer ausführlichen Darstellung des Possenhofener Schlosses, das Herzog Max damals in einer gewaltigen „Shopping-Tour“, so Rank, mehr oder weniger zusammen mit zehn anderen Schlössern gekauft hatte, handelt ein weiteres Kapitel vom Possenhofener Kalvarienberg. Er gilt als einer der ältesten erhaltenen in Bayern und ist um 1648 nach dem 30-jährigen Krieg errichtet worden, wohl als stolzes Symbol des Katholizismus gegen den aufkeimenden Protestantismus. Die Figuren sind jedoch aus dem 19. Jahrhundert. Anhand alter Stiche lässt sich belegen, dass Christus und die Schächer früher von anderer Gestalt waren. Das Buch über die Possenhofener Geschichte ist von der Gemeinde herausgegeben und im Rathaus erhältlich.
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