Vorurteile auf der Postkarte
Ausstellung gegen Antisemitismus am CPG
Der Antisemitismusbeauftragte der Bayerischen Staatsregierung, Landtagsabgeordneter Ludwig Spaenle, wollte ein Grußwort sprechen und Julie Grimmeisen, Akademische Leiterin der Bildungsabteilung am Generalkonsulat des Staates Israel in München, hätte ein Referat gehalten – doch wegen des erneuten Teillockdowns musste das Gilchinger Christoph-Probst-Gymnasium (CPG) die Veranstaltung zum Thema „Antisemitismus“ absagen.
Regelmäßig wird zum Geburtstag des Widerstandskämpfers und Mitglieds der "Weißen Rose", Christoph Probst, am 6. November an den Namensgeber des Gymnasiums erinnert. „Der Tag ist für unsere Schule Anlass, den Mut und das Engagement ihres Namenspatrons mit unserem Auftrag zur historisch-politischen Bildungsarbeit zu verbinden“, hieß es in der Einladung. 1993 wurde das mit 1.400 Schülern größte Gymnasium im Landkreis Starnberg nach dem in Murnau geborenen Widerstandskämpfer benannt. In diesem Jahr hat das CPG im Rahmen dieser Erinnerungskultur die Ausstellung „Abgestempelt! Judenfeindliche Postkarten“ der Bundeszentrale für politische Bildung an die Schule geholt. Sie sei angsichts des Anschlags in Halle 2019 und des Angriffs auf einen jüdischen Studenten in Hamburg aktuell wie selten.
Auch wenn die feierliche Eröffnung ausgefallen ist, die Ausstellung selbst sowie Begleitmaterialien für den Unterricht bereichern noch bis zum 8. Dezember die Schule. Jahrelang hatte der Berliner Sammler Wolfgang Haney fast 1.000 antisemitistische Postkarten zusammengetragen. Eine Auswahl davon wird in der Wanderausstellung gezeigt. Die meisten stammen aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg. Sie sind als historische Quellen zu verstehen, die einen Blick in den damaligen von Vorurteilen und Diskriminierung geprägten Alltag gewähren. Die Ausstellung wurde 1999 vom Jüdischen Museum und dem Museum für Kommunikation Frankfurt am Main erarbeitet und wird in einer komprimierten Fassung von der Bundeszentrale für politische Bildung als Wanderausstellung verliehen.
Juden konnten Vorurteilen nicht entkommen
Was heute Nachrichten auf WhatsApp oder Messages auf Instagram sind, waren in der analogen Welt Ende des 19. und bis weit ins 20. Jahrhundert hinein Bildpostkarten, heißt es im Begleittext. Mit ihnen konnte man unkompliziert und günstiger als mit Briefen Nachrichten und Grüße versenden. Wie jedes andere Medium, wurden sie jedoch nicht nur dazu genutzt, den Urlaubsort vorzustellen oder Festtagsgrüße auszutauschen, sondern dienten häufig auch dazu, mehr oder weniger offen politische Botschaften,ethnische Vorurteile und rassistische Stereotype zu verbreiten. Am Beispiel antisemitischer Postkarten wird in der Ausstellung deutlich, dass scheinbar harmlos daherkommende Alltagsstereotype häufig nicht nur die Grenzen des „guten Geschmacks“ übertreten, sondern auch in Hass oder Diffamierung ausarten können und somit alles andere als harmlos sind. Klar wird auch, dass sich Antisemitismus nicht erst im Nationalsozialismus manifestierte. Vielmehr war er schon im 19. Jahrhundert ein verbreitetes Phänomen, alltäglich und geläufig – sonst hätte man nicht mit antijüdischen Motiven auf Postkarten Werbung betreiben können. "Juden konnten den Vorurteilen der Antisemiten nicht entkommen, gleichgültig wer sie waren und was sie taten", dieses Fazit wird im Begleittext zur Ausstellung gezogen. Das galt nicht nur für Deutschland: Ähnliche Postkarten gab es beispielsweise auch in Frankreich, Polen, Russland und den USA.
Wenn es die Corona-Regeln erlauben, ist die Ausstellung ab 1. Dezember von Montag bis Freitag bis 16 Uhr auch für die Öffentlichkeit zugänglich. Interessierte werden gebeten, sich vorab im Sekretariat anzumelden.
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