"75 Jahre Frieden"
Kriegsende und Neuanfang in der Gemeindegalerie
Drei Friedenstauben aus Keramik sitzen auf Stahlblechpodesten im Garten der Weßlinger Gemeindegalerie. Auf der Begleittafel erfahren die Besucher, dass am 30. April 1945 die damaligen Bürgermeister von Weßling, Oberpfaffenhofen und Hochstadt die Ortschaften ohne Gegenwehr an die Amerikaner übergeben haben. „75 Jahre Frieden“ hat die Weßlinger Künstlerin Renate Kaiser die Skulptur genannt.
Aus diesem Anlass hat Ortsarchivar Erich Rüba eine Ausstellung unter dem Namen „Weßling 1945 – Kriegsende und Neuanfang“ konzipiert. Ein Baumstamm mit eingewachsenem Bombenteil, der Holzkoffer eines Zwangsarbeiters, das Handgepäck einer ausgebombten Familie, der Stahlhelm, der erst beim Bau der Weßlinger Sporthalle gefunden wurde oder die vielen Gemälde, Zeichnungen, Briefe und Tagebucheintragungen, die von der harten Zeit des Krieges und der Nachkriegszeit zeugen – sie alle sind bereits in den Vitrinen und an den Wänden der Weßlinger Gemeindegalerie ausgestellt und aufgehängt und warten darauf, dass Museen wieder eröffnet werden dürfen. Bis dahin können sich die Bürger in den 110 Seiten starken Begleitkatalog vertiefen, der bei Erich Rüba erworben werden kann.
Panzerdivision im Dorf
In den Schulchroniken von Weßling und Oberpfaffenhofen hat Rüba viel über die damalige Zeit erfahren. Die Niederschriften über die Ereignisse der letzten Kriegsmonate von Lehrer Ludwig Strohmeier ergeben ein authentisches Bild vom Leben im Dorf. Am 30. April schrieb er: „Gegen 11 Uhr erscheint eine amerikanische Panzerdivision im Dorf. Die Häuser werden nach Wehrmachtsangehörigen durchsucht. Nachmittags müssen alle Waffen abgeliefert werden. Ortsgruppenleiter Wilhelm Kaul wurde sofort verhaftet. 3000 Mann werden im Dorf einquartiert. Viele Häuser des Dorfes, darunter auch mein eigenes müssen binnen 30 Minuten geräumt werden.“ Später lassen Flüchtlinge aus dem Osten und Ausgebombte aus München die Bevölkerungszahl steigen. Bei Kriegsbeginn lebten 746 Personen im Dorf, am 10. Dezember 1945 waren es bereits 1359.
Seine traumatischen Erlebnisse hat der Künstler Hans Böttcher 1945 in 45 fantastischen Bildern verarbeitet. Die Federzeichnungen aus dem "Evarist Adam Weber Archiv" zeigen beispielsweise einen Kriegsversehrten mit verzerrter Mimik, die an Edvard Munchs „Schrei“ erinnert, ausgemergelte Gestalten oder einen Gehängten, der von zum Skelett abgemagerten Menschen umringt ist. „Verräter“ heißt dieses Bild.
Direkt heiter muten dagegen die Aquarelle an, mit denen Kunststudentin Maria Theresia Rebay von Ehrenwiesen ihr Kriegstagebuch verziert hat. Mal sieht man sie mit der Familie, dann beim Vergraben von Schätzen oder sie hat einen Panzer skizziert, auf dem Amerikaner sitzen und ins Dorf einfahren. Über einen Bombenangriff schrieb sie: „Gestern bei dem Angriff hat's das Dornierwerk wieder ziemlich erwischt. Spreng- und Brandbomben."
Nachdenklich stimmen die "Ehrentafeln", auf denen die gefallenen oder vermissten Soldaten abgebildet sind. Seitdem sind 75 Jahre vergangen. "Deutschland ist so lange wie nie zuvor an einem Stück in Frieden; zu dem Gelingen haben auch unsere Dörfer beigetragen", heißt es auf der Begleittafel zur Friedensskulptur.
Copyright: Wochenanzeiger Medien GmbH