Ganz normal verrückt
Aktionswoche widmet sich der seelischen Gesundheit
Dominique de Marné ist eine junge Frau mit wachem Blick und fröhlicher Ausstrahlung. Keiner würde auf den Gedanken kommen, dass die Münchnerin jahrelang an einer Borderline-Störung und an Depressionen litt, immer wieder an Selbstmord dachte. Es fing an, als sie 16 war. Zehn Jahre lang tobte das Chaos in ihrem Kopf. Ihren inneren Schmerz versuchte sie mit Alkohol und Ritzen zu betäuben. Nach außen hin hielt sie mit äußerster Disziplin den Schein aufrecht. Lange Zeit wusste sie nicht, was mit ihr los war. Erst mit 26 bekam sie die Diagnose und Behandlung. Seitdem will sie das Schweigen über psychische Probleme brechen. Marné schrieb das Buch „Warum normal sein gar nicht so normal ist“ über ihre Erfahrungen und ging damit mutig an die Öffentlichkeit. Von ihrem Leben mit und nach der Krankheit berichtet sie im Rahmen einer Lesung, die am 21. November im Gemeindehaus Herrsching stattfindet.
Offenheit statt Verschweigen
Borderline, Depression, Burnout, Angststörungen. Über seelische Erkrankungen wird viel zu wenig geredet. Das soll sich ändern, und zwar mit der Veranstaltungsreihe „Gemeinsam Mut machen“, die vom 12. bis 29. November an verschiedenen Orten im Landkreis stattfindet. „Es gehört sehr viel Mut dazu, sich seine Erkrankung einzugestehen und sich damit rauszuwagen“, erläutert Behindertenbeauftragter Maximilian Mayer das Motto. Er stellte das Programm bei einem Pressegespräch vor. Vorträge, Ausstellungen, Filme oder Infomesse sollen dabei helfen, Berührungsängste abzubauen. Ziel aller Veranstaltungen ist es, über psychische Krankheiten aufzuklären, Hilfen aufzuzeigen und das Thema aus der Tabuzone zu holen. „Die Entstigmatisierung in der Öffentlichkeit ist eines der wichtigsten Themen“, so Stefan Wenger vom Steuerungsverbund Psychische Gesundheit, der zusammen mit der Fachstelle für Senioren, dem Sozialpsychiatrischen Dienst und der Jugendarbeit beteiligt war. Die Aktionswoche ist aus dem „Tag der seelischen Gesundheit“ heraus entstanden. „Das große Plus der Reihe ist, dass sie sich an verschiedene Zielgruppen richtet, an Betroffene wie an Fachpersonal“, so Mayer. „Jeder findet hier etwas, das er im Alltag oder in der beruflichen Praxis nutzen kann.“
Psychische Erkrankungen sind häufiger, als man denkt. „Jeder dritte leidet statistisch gesehen einmal im Leben daran“, sagte Wenger. „Das ist eine ganz schöne Hausnummer.“ Und es sind Kinder und Jugendliche ebenso wie Erwachsene und Senioren betroffen. „Der Bedarf ist da“, weiß Regina Klusch vom Sozialpsychiatrischen Dienst. Sie berichtet von 150 Neuzugängen, die die Beratung im letzten Jahr genutzt haben.
Veranstaltungsübersicht
Ein Höhepunkt des Programms ist der „Markt der Möglichkeiten“ am 18. November, der von 13 bis 17.30 Uhr im großen Sitzungssaal vom Landratsamt durchgeführt wird. An über 20 Messeständen können Besucher verschiedene Hilfsangebote aus dem Landkreis und darüber hinaus kennenlernen. Abends schließt sich dazu der Vortrag „Depression und seelische Gesundheit im Alter“ des Psychiaters Dr. Walter Stehling im Jugendtreff Nepomuk an.
Bereits am 12. November startet im Foyer der Kreissparkasse Starnberg die Foto-Ausstellung „Seelenblick“ mit Porträts von Menschen mit psychischen Erkrankungen, die ohne Scheu in die Kamera blicken. „Sunset over Hollywood“ ist eine moderierte Filmvorführung über illustre Ruheständler in Hollywood und die Möglichkeiten im Alter (12. November, Breitwand Kino Starnberg). Am 19. November eröffnet die interaktive Ausstellung „Lebensbilderreise“ im Foyer des Landratsamts, in der Depressive darüber berichten, was ihnen geholfen hat. Ergänzt wird das Programm von einer Lesung in Schulen, einem Fachvortrag über Depression bei Kindern und Jugendlichen (13. November, Jugendherberge Possenhofen), einer Präventionsveranstaltung zum Thema Essstörungen im Gymnasium Gilching (27. November) und die Filmvorführung „Grau ist keine Farbe“, das die Situation von drei an Depression erkrankter Jugendlicher schildert. Fast alle Veranstaltungen sind kostenlos und ohne Anmeldung zugänglich. Flyer liegen im Landratsamt, in den Gemeinden und Einrichtungen aus und sind auch auf der Internetseite vom Landratsamt zugänglich.
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